Das Seminar bietet hier auch einen kurzen Leitfaden an.
Der Schreibprozess bei Hausarbeiten kann folgendermaßen strukturiert werden:
• Vorbereitungsphase
• Fragestellung
• Gliederung
• Schreiben
• Zeitmanagement
Vorbereitungsphase
Die Vorbereitungsphase dient vorrangig der Findung einer Fragestellung. Darauf aufbauend sollte auch eine vorläufige Argumentation skizziert werden. Viele Hausarbeiten kranken daran, dass sie im Grunde keine klar formulierte Fragestellung besitzen und deshalb vage werden oder abdriften. Denn wenn unklar ist, welches Thema zur Diskussion steht, kann auch nicht dafür oder dagegen argumentiert werden. Daher sollten vor dem Schreiben folgende Fragen geklärt werden: Welches Thema, welche Frage möchte ich behandeln? Warum ist dieses Thema, diese Frage relevant? Welche These möchte ich formulieren? Wie möchte ich für meine These argumentieren?
Fragestellung
Die Fragestellung muss keine endgültige sein, denn während des Schreibprozesses stellt sich häufig heraus, dass die Frage abgeändert bzw. konkretisiert werden muss. Klassische Themen sind: Klärung zentraler Begriffe („Wie verwendet Autor*in X Begriff Y?“ „Welche Funktion übernimmt Begriff X in Argumentation Y?“), Rekonstruktion bzw. Erläuterung eines Arguments („Wie argumentiert Autor*in X für These Y?“), Diskussion einer These bzw. Interpretation („Welche Thesen werden in der Forschung zu Problem X vertreten, was sind ihre Schwächen und Stärken?“ „Ist Interpretation X von Autor*in Y korrekt?“).
Je nach Fragestellung kann bzw. muss Sekundärliteratur herangezogen werden. Es ist unerlässlich, die Sekundärliteratur nicht ohne Lektüreleitfaden zu konsultieren, sondern immer in Hinblick auf ihre Relevanz für die anvisierte Fragestellung. Sicherlich kann man sich zunächst ein gewisses Basiswissen anlesen, ehe man sich in Detaillektüre vertieft. Doch viele Studierende verlieren sich in uferloser Lektüre, sodass sie sich außerstande sehen, relevante Informationen zu selektieren und das Thema kompakt darzustellen. Dabei stellt sich im Schreibprozess oft heraus, dass gar nicht so viel Platz etwa für Darstellung von Argumenten und Diskussion bleibt, wie noch zu Anfang angenommen. Zudem ist die detaillierte Diskussion weniger Argumente wertvoller, als viele Argumente ohne Erörterung aneinanderzureihen.
Gliederung
Die Gliederung einer Arbeit könnte wie folgt aussehen: Darstellung von Argument A von Person X, Kritik von Person Y durch Argument B, Vermittlung von Argument A und B. Auch hier gilt, dass es keine paradigmatischen Fälle einer Gliederung gibt. Häufig legt das Thema bereits eine bestimmte Gliederung nahe, sodass es hilfreich sein kann, den Erfordernissen des Themas nachzukommen, anstatt stur an einer vorgefertigten Gliederung festzuhalten. Begriffsklärungen bleiben eher textimmanent, während systematische Diskussionen einer These sich häufig an Sekundärliteratur orientieren. Die einzige Richtlinie für eine Gliederung ist, dass ihr Aufbau verständlich ist und auch einsichtig wird, warum gerade dieser Aufbau gewählt worden ist.
Schreiben
Der Schreibprozess beginnt in der Regel nicht mit der Einleitung! Die Einleitung soll die Hausarbeit im Kompaktformat enthalten: Fragestellung, Relevanz der Fragestellung, Hauptteil, Schluss. In die Hausarbeit einleiten kann man also am besten, wenn man sie bereits geschrieben hat und weiß, was auf den/die Leser*in zukommt. Daher sollte man den Schreibprozess mit der Einleitung abschließen und mit dem Hauptteil beginnen.
Häufig gestaltet es sich als äußerst schwierig, den richtigen Einstieg zu finden. Es gibt nämlich keinen einzig richtigen Weg, um eine Hausarbeit zu schreiben. Die ersten Sätze mögen zunächst willkürlich und beliebig, ohne Stringenz und Notwendigkeit erscheinen. Doch mit jedem weiteren Satz entsteht immer mehr ein sinnvolles Gefüge, das den vorangegangen Sätzen ihren Sinn verleiht und den folgenden, noch zu schreibenden Sätzen eine Richtung weist. Ausprobieren und Experimentieren gehören zum Beginn des Schreibens also wesentlich dazu.
Wie Kleist von der „allmählichen Verfertigung der Gedanken beim Reden“ sprach, so kommt das Denken beim Schreiben. Wenn das Denken kommt, erscheint häufig eine erneute oder neuorientierte Lektüre erforderlich, um einen neuen Gedanken abzusichern oder ihm erst Kontur zu verleihen. Die Fragestellung oder Argumentation während des Schreibens flexibel abändern zu können, wenn es die Sache erfordert, ist damit unabdinglich.
Sobald die ersten Hürden genommen sind, zeichnet sich auch ein deutlicheres Bild der Argumentationsstruktur ab, sodass das Schreiben leichter fällt. Dann erweist sich auch, ob die vorgefertigte Gliederung angepasst oder verworfen werden muss. Um nicht nur der eigenen Argumentation, sondern auch dem Text Struktur zu verleihen, empfiehlt sich der gezielte Einsatz von Absätzen: Ein Absatz sollte immer mit dem Themenaspekt enden, mit dem er begonnen wurde. Diese Technik (auch „paragraphing“ genannt) erhöht die Kohärenz des Textes und erleichtert dem/der Leser*in, dem Text zu folgen. Zudem erzwingt die Klarheit der Darstellung gleichzeitig auch die Klarheit des Gedankens, sodass man schnell merkt, wenn man einen Gedanken noch nicht vollständig durchdrungen hat.
Dazu gehört natürlich auch die Verwendung einer einfachen Sprache, wo immer es geht, und insbesondere die Vermeidung von Jargon. Das heißt, dass 1) ungeklärte Fachtermini, die in der Sekundärliteratur und Philosophiegeschichte unterschiedlich verwendet werden, und 2) weder Neologismen, Schreibstil noch umgedeutete Begriffe von Philosoph*innen unkritisch übernommen werden sollten. Schlechte Hausarbeiten erkennt man häufig daran, dass sie Begriffe und Formulierungen eines/einer Philosoph*in oder einer Forschungsdiskussion übernehmen, die es gerade zu interpretieren gilt.
Das heißt jedoch nicht, dass auf Fachtermini verzichtet werden soll. Es empfiehlt sich sogar, durchgängig einheitliche Begriffe zu verwenden und dann nicht mit Synonymen zu variieren, wenn gerade feine Bedeutungsunterschiede zur Debatte stehen. Ein Beispiel: In der (angelsächsischen) Philosophie des Geistes werden mit den Begriffen „Selbstbewusstsein“, „Selbstwissen“, „Selbstbezug“, „Selbsterkenntnis“ unterschiedliche Phänomene bezeichnet und separat diskutiert. Hier gilt es also, streng der Terminologie zu folgen, um Mehrdeutigkeit der Begriffe zu vermeiden; auch wenn man glaubt, dass es sich langweilig liest. Der/Die Leser*in wird es zu schätzen wissen!
Der beste Tipp fürs Hausarbeiten schreiben ist aber, zu schauen, wie es andere machen. Je mehr man philosophische Fachartikel und Monografien liest, desto eher bekommt man das Gefühl dafür, was geht und was nicht geht. Das Schreiben aus der ersten Person („Ich behaupte…“) ist gängig und gern werden auch die aberwitzigsten Gedankenexperimente angestellt. Insbesondere für die Basics ist regelmäßige Lektüre wissenschaftlicher Literatur geradezu ein Muss, da sie ja gerade den Maßstab angibt, an dem sich die Hausarbeit bestenfalls orientieren sollte. Selbstverständlich erwartet aber keiner, dass die eigene Arbeit so gut sein muss wie der Aufsatz eines/einer Professor*in. Zum Einstieg eignen sich Monografien, die auf Vorlesungsmanuskripten basieren. Ihr einfacher Schreibstil und klarer Gedankengang sind eine solide Schule für den Ausbau der eigenen Argumentationsfertigkeit.
Bevor die Arbeit eingereicht wird, empfiehlt es sich, sie für einige Tage ruhen zu lassen und sie dann mit befreitem Kopf nochmals zu lesen. Gerade für die Korrektur von Rechtschreibfehlern ist es hilfreich, sich die Arbeit als Papierausdruck durchzulesen, weil Fehler so eher ins Auge springen. Kommiliton*innen und/oder philosophischen Lai*innen die Korrekturlesung vornehmen zu lassen, erhöht zudem die Wahrscheinlichkeit, dass argumentative Unklarheiten und Schwachstellen besser erkannt und korrigiert werden können.
Zeitmanagement
Das Zeitmanagement bei Vorbereitung und Schreiben einer Hausarbeit verdient einen eigenen Unterpunkt, weil an fehlendem Zeitmanagement so manche Arbeiten gescheitert sind. Das fängt damit an, dass die Einarbeitung in die Literatur zu lang ausfällt, sodass sie mehr verwirrt als entwirrt.
Wenngleich es nicht verkehrt ist, einen Gedanken für einige Zeit gären und reifen zu lassen, ist es doch notwendig, nicht zu lange damit beschäftigt zu bleiben. Denn bei der Diskussion mit Kommiliton*innen oder beim Versuch, den Gedanken aufzuschreiben, stellt sich viel schneller heraus, ob und wo noch Verständnislücken bestehen oder welcher Gedanke als nächstes folgen muss.
Die ständige Konfrontation des Gelesenen und Gedachten mit Gegenmeinungen oder der Verschriftlichung helfen also, ein zielloses Gedankenbrüten zu vermeiden und damit die Motivation hochzuhalten. Spätestens nach einer Woche sollte eine vorläufige Fragestellung gefunden und die relevante Literatur untersucht worden sein, sodass mit den ersten Versuchen einer Niederschrift begonnen werden kann.
Sodann gilt es einerseits, am Ball zu bleiben: sich nicht tagelang damit plagen, die ersten Sätze des Hauptteils perfekt hinzukriegen, sondern gleich zwei bis drei Absätze abfassen. So erhöht sich die Chance auf einen Schreib- und Gedankenfluss und die Sätze lassen sich besser auf ihren inneren Zusammenhang untersuchen.
Andererseits aber sollte man sich auch nicht von einer Schreibeuphorie mitreißen lassen: Es ist besser, nach Abschluss einer Sinneinheit innezuhalten und in Ruhe den Text zu überdenken, als gleich den nächsten Punkt hinzuschreiben. Die Gefahr ist nämlich, dass, was einem selbst völlig plausibel erscheint, für den/die Leser*in ganz und gar nicht plausibel ist. Die Reflexion über das Geschriebene dient also dazu, das beim Schreiben implizit Mitgedachte ins Bewusstsein zu rufen und, wenn nötig, in den Text miteinzuarbeiten.
Der Schreibprozess sollte damit ein bis zwei Wochen in Anspruch nehmen. Falls die Arbeit dennoch nicht in den Semesterferien zu schaffen ist, sollte mit der Lehrperson Rücksprache gehalten werden, ob die Abgabefrist verlängert werden kann. Um Panik vor der nahenden Deadline zu vermeiden, sollte die benötigte Zeit für die Arbeit rechtzeitig kalkuliert werden. Ein häufiges Phänomen unter Studierenden ist nämlich, die Prüfungsleistung wieder abzumelden, weil nicht mehr die erforderliche Zeit zur Fertigstellung der Arbeit bleibt.
Der Spagat zwischen einem konstanten und disziplinierten Arbeitstempo auf der einen Seite und einer stets kritischen und besonnenen Rückschau auf der anderen Seite erweist sich als der Schlüssel zu einem erfolgreichen Zeitmanagement bei der Anfertigung einer Hausarbeit.